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Stettiner Bahnhof
in alte Gebäude und Industrieanlagen 13.09.2005 17:13von Brainiac •

"Der Schatz im Niemandsland" - kann sich noch jemand an diese TV-Serie der 80'er Jahre erinnern?! Damals nur eine nette Geschichte für's TV mit ganz ansehnlicher Spannung. Wenn man aber mal genau darüber nachdenkt dann ist das - gerade in Berlin ein sehr interessantes Thema. Berlin war sehr zerstört und wurde direkt nach dem Krieg geteilt, so wurde auf dem Grenzgebiet weder aufgebaut noch neugebaut, einfach nur planiert und später mit Todestreifen garniert...
Auf diese Eingebung kam ich bei den Recherchen zu unserem Projekt "Stettiner Bahnhof", womit sich dieser Thread in Zukunft beschäftigen wird. Da dieses Projekt noch lange nicht beendet ist wird es noch weitere Ergänzungen dazu geben, besonders was die Fotos betrifft... Wir wollen hier den Geschichtsinteressierten Infos zu dem Thema geben und euch ein wenig an unserer sehr interessanten Arbeit teilhaben lassen...
Der Stettiner Bahnhof wurde am 01.08.1842 fertiggestellt und mit dem ersten Streckenabschnitt von Berlin nach Eberswalde
eröffnet. Im zweiten Weltkrieg wurde die gesamte Gegend um den Stettiner Bahnhof und die Bahnhofsanlage selbst stark bombardiert - der Bahnhof wie er einst erbaut wurde, war für einen Wiederaufbau zu stark zerstört. Nach dem Kreig wurden wenige Gleisanlagen nur noch "provisorisch" genutzt. Am 17.05.1952 hat die DDR, auf dessem Sektor das Bahnhofsareal nun stand, den Bahnhof in Nordbahnhof umbenannt. Heute erinnert nur noch die gleichnamige S-Bahnstation an den früheren Prunk-Bahnhof. Zu allem Übel kam auch noch die Teilung der Stadt, genau auf diesem Gelände dazu. Das gesamte Gelände war Todesstreifen und um für freie Sicht und Schußbahn zu sorgen, wurden Anfang der 60er Jahre die letzten noch sichtbaren Überreste des Bahnhofs abgerissen. Allerdings hatte die DDR damals weder Geld noch Zeit wirklich alles zu entfernen, insbesondere das was sich unterhalb der Erdoberfläche befand. Für Experten sind somit noch heute einige interessante Objekte von damals auszumachen.
Kleine Chronografie zum Objekt:
10.07.1877 Eröffnung des Streckenabschnitts Berlin Gesundbrunnen - Neubrandenburg
01.12.1877 Eröffnung des Streckenabschnitts Neubrandenburg - Demmin
01.01.1878 Eröffnung des Streckenabschnitts Demmin - Stralsund
01.06.1891 Inbetriebnahme zweites Gleis km 2,6 (bei Wollankstr.) bis Oranienburg
01.10.1891 Einführung des verbilligten Vororttarifs bis Oranienburg
11.1891 Eröffnung des Vorortbahnsteigs auf dem Stettiner Bahnhof
16.06.1892 Verlegung des Vorortverkehrs der Nordbahn zum Nordbahnhof
09.08.1893 Inbetriebnahme zweites Gleis von Nordbahnhof bis km 2,6
01.05.1897 Verlegung der Stettiner Bahn über Gesundbrunnen
01.02.1898 Rückverlegung des Vorortverkehrs zum Stettiner Bahnhof
11.1896 Eröffnung des Stettiner Vorortbahnhofs und Stillegung des Vorortbahnsteigs von 1891
1897/98 Hochlegung des Bahnhofsareals des Stettiner Bahnhofs um mehrere Meter
Ende 1902 Inbetriebnahme der östlichen Hallenerweiterung des Stettiner Bahnhofs
1910-15 Hochlegung des Bahnhofs Oranienburg inkl. Anlage eines Kopfbahnsteigs für den Vorortverkehr
05.06.1925 Aufnahme des elektrischen Vorortverkehrs bis Birkenwerder (Stromschiene, 800 V Gleichstrom)
04.10.1925 Aufnahme des elektrischen Vorortverkehrs bis Oranienburg (Stromschiene, 800 V Gleichstrom)
27.07.1936 Eröffnung des unterirdischen S-Bahnhofs Stettiner Bahnhof
17.05.1952 Einstellung des Fernverkehrs auf der Strecke Berlin Stettiner Bahnhof - Hohen-Neuensdorf
13.08.1961 Unterbrechung des Vorortverkehrs zwischen Frohnau und Hohen Neuendorf durch den Mauerbau
1983 Elektrifizierung der Fernbahngleise vom Berliner Außenring bis Neustrelitz
31.05.1992 Wiederaufnahme des S-Bahn-Betriebs zwischen Frohnau und Hohen Neuendorf
seit 1996 Neubau verschiedener Wohn- und Bürogebäude am und auf dem Areal
seit 2001 Auf dem größen Teil des Areals wird ein Park angelegt
Geschichte und Bau das Bahnhofs:
Der ehemalige Stettiner Bahnhof wurde 1842 an der Invalidenstraße westlich der Gartenstraße als Ausgangspunkt der Eisenbahnstrecke nach Stettin, Baltikum, Stralsund und Königsberg eröffnet, 1874-1876 durch einen Neubau ersetzt. Nach Entwürfen von Theodor Stein entstand ein fünfgleisiger Kopfbahnhof. Die 129 Meter lange und 37,6 Meter breite Bahnsteighalle hatte eine Scheitelhöhe von 25 Metern und wurde durch hohe Seitenfenster beleuchtet. Der palastartige Bahnhof diente den Berlinern vor allem als "Ferienbahnhof" zu den pommerschen Ostseebädern, aber auch nach Skandinavien. Nebenan gab es den Vorortbahnhof und ca. 700 Meter weiter westlich den Hamburger Bahnhof, dessen Reste heute als Museum genutzt werden.
Anfang des 19. Jahrhunderts verlief auf Höhe der heutigen Oranienburger Straße die mit Mauern befestigte Stadtgrenze des historischen Kerns von Berlin. Daher auch noch heute die Bezeichnungen Oranienburger Tor, Platz am Neuen Tor oder Torstraße, weil durch die Stadtmauern viele Tore nach draußen führten. Außerhalb dieser Grenze gab es Felder und Landwirtschaft. In Höhe der Invalidenstraße befanden sich hingegen Kasernen und Exerzierfelder für die Soldaterie Kaiser Friedrichs. Für die invalidisierten Soldaten gab es in der Scharnhorststraße Invalidenheime (teilweise noch heute erhalten).
Geprägt durch die Erfindung der Dampfmaschine, also zu Beginn der Industriealisierung entstanden im Kiez Nordbahnhof nach und nach sechs Lokomotiv- und (Dampf) Maschinenwerke. Das bekannteste davon waren die Borsigwerke. Das alte Borsigverwaltungsgebäude in der Chausseestraße / Ecke Schlegelstraße, gegenüber von Brechthaus ist noch heute erhalten.
Der Kiez war also geprägt durch die Arbeiter in den Lokomotivwerken und die vielen Reisenden, die hier landeten. Es gab zahlreiche Hotels. In diesem Bahnhofsviertel, durchsetzt mit viel Rotlicht-Millieu, gab es an fast jeder Straßenkreuzung mehrere Bier-Kneipen, welchen wegen der dichten Besiedlung die Funktion des öffentlichen Wohnzimmers zukam. An der Kreuzung Tieckstraße / Borsigstraße gab es drei Kneipen. Eine wurde im Krieg zerstört, in einer ist heute ein Schlüsselgeschäft, und eine ist das Borsig-Eck, der heutige HONIGMOND. Da das theologische Konvikt und die Golgathakirche direkt gegenüber liegen, trafen sich zu DDR-Zeiten im Borsig-Eck viele angehende Pfarrer, Intellektuelle und Künstler - aus DDR-Sicht eben Oppositionelle. Es wurde sehr viel Schach gespielt. Die Gaststätte war jeden Abend brechend voll. Es wurde in der Regel in mehreren Reihen dicht am Tresen gestanden. Wolf Biermann war Stammgast, er wohnte gleich um die Ecke, Eva-Maria Hagen und Tochter Nina besuchten das Borsig-Eck ebenso wie Wolfgang Thierse. Viele der damaligen Stammgäste sollen heute im Bundestag sitzen. Diese Keimzelle potentiellen Widerstandes war den Oberen ein Dorn im Auge. Deswegen wurde das Borsig-Eck wenige Jahre vor der Wende von der Stasi wegen "Übererfüllung des Versorgungsauftrages" geschlossen.
Mit dem Bau der S-Bahn wurde auch eine unterirdische Linie zum Stettiner Bahnhof geführt, ein Anbau neben dem Hauptgebäude diente als Zugang. Die Linie nannte man damals die "Nordbahn". Im zweiten Weltkrieg wurde der Stettiner Bahnhof stark beschädigt, jedoch waren die Fernbahn wie auch die S-Bahn bald wieder in Betrieb. In den 50er Jahren wurde der S-Bahnhof in "Nordbahnhof" umbenannt. Der Personenverkehr auf dem Stettiner Bahnhof wurde 1952 eingestellt und mit dem Mauerbau kam dann das endgültige Ende, da das gesamte Bahngelände im Grenzbereich lag. Es wurde vollständig planiert und zum berüchtigten Todesstreifen umgerüstet. Die Reste sind 1965 abgerissen worden, und damit endete der Stettiner Bahnhof so, wie alle anderen Kopfbahnhöfe Berlins - als Erinnerung.
Der Bau der "Berlin-Stettiner-Eisenbahn" begann im Jahre 1840 und bereits am 30. Juli 1842 konnte das erste Teilstück in Betrieb genommen werden: 45 Kilometer bis nach Eberswalde. Ein Zusammenschluss von Kaufleuten aus Berlin und Stettin hatte den Bau dieser Bahnverbindung von Berlin zum nächstgelegenen Hafen vorangetrieben. Sie versprachen sich dadurch einen schnelleren Warenumschlag. Allerdings knüpfte sich an diese Eisenbahnverbindung auch ein militärisches Interesse. Zudem beschleunigte sich durch den Bau der Bahn die Bautätigkeit am südlichen Endpunkt der Strecke, also in Berlin. Zwar war diese Bahnstrecke zunächst als reine Gütertransportstrecke gedacht, doch ab 1872 wurde sie auch für Personentransporte genutzt. Bereits zehn Jahre zuvor wurde östlich des Bahnhofs eine neue Straße angelegt, die nach Bernau benannt wurde - dem ersten Halt auf dem Weg nach Stettin.
Während die neue Eisenbahn und der Stettiner Bahnhof für Kaufleute und Offizielle von großer Wichtigkeit war, empfanden ihn diejenigen, die dort wohnten, eher als Last. Immerhin mussten viele Familien und auch der örtliche Heumarkt umziehen, weil der Platz für die Anlage des Bahnhofs gebraucht wurde.
Als dann am 15. August 1842 die offizielle Eröffnungsfahrt der Berlin-Stettiner Eisenbahn stattfand, nahm daran viel Prominenz teil, was die Wichtigkeit dieser Linie unterstrich. Neben dem König und den Prinzen sah man auch den Kriegsminister und den Oberpräsidenten der Provinz, Alexander von Humboldt.
Der Stettiner Bahnhof war der dritte von acht großen Berliner Kopfbahnhöfen. 1876 wurde das neue Empfangsgebäude aus gelbem Backstein eingeweiht. Die gesamte Bahnhofsanlage zog sich schließlich vom Bahnhofsvorplatz an der Bernauer Ecke Invalidenstraße parallel zur Gartenstraße hin, bis sie ca. einen Kilometer weiter an der Schwindsuchtbrücke endete, am nördlichen Ende der Garten- und Ackerstraße. Bis heute wird die Gartenstraße von der Mauer des Bahngeländes begrenzt.
Der Stettiner-Fußgängertunnel:
Da das Gelände etwa fünf Meter über dem Straßenniveau verläuft, durchschnitt es die Verbindung zwischen der Gartenstraße und der Chausseestraße. Um das etwas auszugleichen, wurde auf der Höhe der Feldstraße ein Fußgängertunnel angelegt, dessen Ausgang in der Gartenstraße heute noch gut zu erkennen ist. Dieser Tunnel war in den 20er Jahren oft Schauplatz von schmerzhaften Auseinandersetzungen zwischen zwei Jugendgangs, die jeweils nahe eines Ausgangs des Tunnels wohnten. Im Zuge des Mauerbaus wurde der Tunnel 1961 zugemauert und ist seitdem nicht mehr zugänglich. Der Fußgängertunnel ging unter den Eisenbahnanlagen hindurch und verlief im Zuge der Schwartzkopffstraße bis zur Gartenstraße. Der Name erscheint letztmals im Straßenverzeichnis des Jahres 1969 und wurde danach offensichtlich eingezogen. Anfang Mai 2005 wurde der Eingang Westseite des Tunnels, welcher sich am Ende der Schartzkopffstraße und kurioserweise im ehemaligen Osten der Stadt befindet, im Verlauf der Straßenbauarbeiten mehr oder weniger unwissend freigelegt. Der Treppenabgang war etwa 4,5m breit und 3,5m tief, er befindet sich mitten auf der Fahrbahn, direkt am Ende der Sackgasse Richtung Osten. Diese Sackgasse wird aber in wenigen Tagen keine mehr sein, sondern als Verbindung zu den Neubauten und Invaliedenstraße dienen. Nach etwa 50m führt eine Treppe im Tunnel etwa 2,5m nach Oben, um höchstwahrscheinlich den S-Bahntunnel auf einer Länge von etwa 10m zu überqueren, danach führt die Treppe wieder abwärts. Auf der Ostseite endet der Tunnel am zugemauerten Eingangsportal an der Gartenstraße. Insgesamt ist der Tunnel etwa 200m lang und wurde mit dem Kopfbahnhof zusammen um 1870 erbaut. Der Tunneleingang wurde am 10.05.2005, jetzt fachmännig und endgültig zubetoniert und verfüllt. Da der Tunnel im ehemaligen Niemandsland liegt, wurde er sozusagen konserviert. Es ist weder Graffitie noch neuzeitlicher Müll zu finden. Allerdings sind uns auch historischer "Müll" und alte Schätze verborgen geblieben - offensichtlich waren wir wohl nicht die Ersten dort. Die Wandbeschriftung "Demokratischer Sektor" zeugt davon das auch hier die Stadt geteilt war.
So gibt es noch viele Geschichten und besonders Zeitzeugenberichte aus der Blütezeit des Stettiner Bahnhofs. So sollen noch große Teile der ehemaligen Keller des Bahnhofs im ursprünglichen Zustand erhalten sein. So wie zum Beispiel der Keller des Kulturhauses wurden viele andere auch, nach dem Krieg einfach planiert. Die oberirdischen Kriegsschaäden wurden schnell und einfach beseitigt, darunter befindliche Keller gerieten oft in Vergessenheit und sind noch heute in diesem Gebiet erhalten. Da stellt sich die Frage ob damals wirklich aus jedem Keller der stark zerstörten und völlig eingefallenen Gebäude, alle Menschen die dort Schutz suchten geborgen wurden.
Fortsetzung folgt... (früher oder später)
2005 - und wir sind noch immer Jäger und Sammler...
Dateianlage:

RE: Stettiner Bahnhof
in alte Gebäude und Industrieanlagen 13.09.2005 17:29von Brainiac •

01. Grube des ehemaligen Tunnelabgangs, war Anfang Mai noch tiefer und offen.
02. Einige Mauerteile des Tunnelabgangs sind noch unterm Asphalt zu erkennen.
03. Reichsbahngebäude aus den 30'ern, darunter soll sich ein LSB befinden.
04. Blick auf's Ende der Schwartzkopffstraße Richtung Osten zum Tunnel und ehmaligen Bahnhofsareal. Wo der Bagger steht ist die Grube.
05. Blick Richtung Westen wo die Schartzkoffstraße an der Chaussestraße endet.
06. Blick auf's Bahnhofsareal Richtung Nord-Osten. Wo die Wohnhäuser im Hintergrund sind ist die Gartenstraße.
07. Blick Richtung Norden. An meinem Standort war früher die Westseite der großen Haupthalle.
08. Das letzte überhaupt noch erhalten Gebäudeteil vom einst so großen Bahnhofskomplex. Noch heute ist die Pracht von einst zu erkennen.
09. Eines von wenigen noch erhaltenen ehemaligen Dampf- und Lokfabriken in der Gegend.
10. Der letzte noch erhaltenen Bahnhofsteil konnte zum Glück als Baudenkmal gerettet werden.
11. Hier geht's vielleicht nach unten... ;-)
12. Das ehemalige Hauptpostamt. Es soll einen Transporttunnel von dort zum Bahnhof geben.
13. Genau auf diesem erhöhten Areal stand die große Haupthalle. Im Hintergrund der Ostanbau für die Stadtbahn (heute noch aktiv).
14. Ehemaliges weltbekanntes Honigmond-Hotel am Bahnhofsvorplatz in der Invalidenstraße.
15. Blick vom Bahnhofsvorplatz Richtung Westen in die Invalidenstraße. Rechts das ehemalige Baltic-Hotel
16. Blick vom Bahnhofsvorplatz in Richtung Osten die Invalidenstraße entlang.
17. Tunnelportal der Ostseite in der Gartenstraße.
18. Blick entlang der Bahnhofsmauer in Richtung Norden (in der Gartenstraße).
19. Blick entlang der Bahnhofsmauer in Richtung Süden (in der Gartenstraße)
20. Kriegsschäden und Einschußlöcher am Portal. Aber die Rückseite vom Portal ist viel interessanter... :P
[Edit by Swen: Die Fotos stimmen nicht mit der Nummerierung im Beitrag überein! Aufsteigende Nummerierung in der Bildbeschreibung = aufsteigende Nummerierung der Dateien...]
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